JULIAN – DER JUNGE KÄMPFER
Einmal bei den Karl-May-Festspielen in meiner Heimatstadt mitzumachen, war schon immer
mein Traum. Ich habe fast alle Indianerbücher von diesem Autor gelesen und bin auch mit
Indianerfilmen groß geworden. Die Indianerwelt, die ich bei Karl May kennengelernt habe, hat
mich schon seit Jahren fasziniert. Meine Familie ist zu jeder Inszenierung auf der alten Bühne
im Park gegangen. Dort werden seit 60 Jahren jeden Sommer die Abenteuerromane rund um
Winnetou und Old Shatterhand, die Hauptfiguren aus seinen Büchern, als Theaterstück
aufgeführt. Als ich im letzten Jahr zu meinem Vater sagte, dass ich auch mal an dem Casting
für diese Theateraufführungen teilnehmen will, hat er vorgeschlagen, mich zum Casting zu
bringen.
Zum Casting kamen noch etwa hundert weitere Karl-May-Fans, die, genauso wie ich, auf
die Rolle einer der Nebenfiguren hofften. Um meine Fähigkeiten zu zeigen, musste ich
eine Tanzchoreografie lernen. Alle Schritte hat mir der Choreograf vorher gezeigt. Danach
kam noch ein Koordinator, der mit jedem Teilnehmer eine typische Kampfszene übte. Dann
wurden noch ein paar Fotos gemacht und das Casting war vorbei. Ich musste jetzt nur auf
die Antwort warten.
Die Bestätigung meiner Teilnahme am Theaterstück kam nach zwei Wochen. Etwa
einen Monat haben wir dann jeden Tag bis abends geprobt. Mein Vater hat mich dafür von
der Schule abgeholt und in das Indianerdorf neben der alten Bühne im Park gefahren.
Die gesamten Ferien und die ersten Wochen des Schuljahrs arbeitete ich bei
den Inszenierungen mit. Meine Schule gab mir dafür ein paar Tage frei. Da musste ich nicht
jeden Tag hin und her fahren. Zum ersten Mal wohnte ich nun allein außer Haus ohne meine
Eltern. Während der vier Spieltage schlief ich in einem Wohnwagen auf einem Campingplatz
in der Nähe vom Indianerdorf. Das war ziemlich cool. Abends saß ich noch vor meinem Wagen
und redete mit anderen Teilnehmern.
Morgens fing wieder die schwere Arbeit mit den weiteren Proben an. Es war viel Arbeit, bis
jede Szene wirklich echt aussah, deshalb musste alles mehrmals wiederholt werden. Ich war
zu Beginn unsicher und sehr nervös. Aber es waren wie jedes Jahr Schauspieler dabei, die
denjenigen, die zum ersten Mal mitspielten, zeigten, wie es geht. Natürlich passierte auch mal
ein Fehler. Doch wenn mal ein Schauspieler seinen Text vergaß, bemerkte das Publikum das
meist gar nicht. Manchmal fiel auch jemand vom Pferd, aber zum Glück hat sich bisher
niemand verletzt. Der Regisseur war zum Schluss mit der Arbeit sehr zufrieden.
nach: www.spiegel.de