EIN ABENTEUER IN DEN HIGHLANDS
Eva war müde, hatte Hunger und wollte nur noch schlafen. Vor Aufregung hatte sie
in der letzten Nacht kein Auge zugetan. Der unfreundliche Taxifahrer hatte ihre Fragen zur
Umgebung nur kurz oder gar nicht beantwortet und lieber telefoniert. Sie nahm die Eindrücke,
die an ihrem Fenster vorbeiflogen, intensiv auf und genoss es in vollen Zügen, endlich
in Schottland angekommen zu sein.
Endlich, ihr sehnsüchtiger Traum würde in Erfüllung gehen! Sie hatte sich ihr ganzes Leben
lang gewünscht, nach Schottland zu reisen, und jetzt, zum Ende ihrer Ausbildung an
der Tourismusfachschule, wurde ihr Wunsch wahr – zumindest teilweise. Ob sie ihren
Lebenstraum, nach Schottland auszuwandern und eine kleine Pension zu betreiben,
tatsächlich verwirklichen würde, musste sich noch zeigen.
Als das gelbe Taxi in die Auffahrt zum Schloss einbog, konnte Eva vor Begeisterung kaum
atmen. Ihr bot sich ein wahrhaft fantastischer Blick auf Schloss Glenmore. Der Taxifahrer
stoppte und bat sie zur Kasse. Eva musste kurz schlucken, denn die Fahrt kostete sie ihr
ganzes verbliebenes Bargeld. Sie hatte ein Taxi nehmen müssen, denn öffentliche
Verkehrsmittel gab es hier in den Bergen nicht. Egal, Verpflegung und Unterkunft waren beim
Praktikum inklusive, Trinkgelder durfte sie behalten und sehr viel mehr würde sie hier auch
nicht benötigen.
Sie klingelte an der Eingangstür. Keine Menschenseele kam und die Pforte blieb verschlossen.
Sie klopfte noch einmal. Merkwürdig. Eva sah sich um. Das hier war doch ein Hotel! Sie stellte
ihren Koffer ab und ging ein paar Meter, als sie jemanden auf dem Kies kommen hörte.
Na also! Sie atmete erleichtert auf. Die Schritte kamen schnell näher, dann bog
ein hochgewachsener Mann um die Ecke.
„Was wollen Sie hier?“, murmelte er grob.
„Ähm“, aus Verlegenheit konnte Eva kaum sprechen, „ich, äh, soll hier arbeiten.
Ein dreimonatiges Praktikum, um genau zu sein.“
„Sie arbeiten hier? Das kann ich mir nicht vorstellen“, äußerte er trocken und neigte seinen
Kopf leicht, um sie langsam von oben bis unten zu mustern.
Der athletische Mann hatte seine Arme vor der Brust verschränkt und stand breitbeinig vor ihr.
Irgendwie deprimierte sie seine Körperhaltung; der breitschultrige Kerl strahlte etwas absolut
Beeindruckendes, etwas Herrschaftliches aus. Er sah nur wenig älter aus als ihre
Kommilitonen, hatte aber etwas Rohes und Männliches an sich, wovon sie stark beeindruckt
war. Leider behinderte seine großartige Erscheinung ganz offensichtlich auch ihr
Sprachzentrum. Mehr als ein paar unverständliche Worte kamen ihr nicht über die Lippen.
nach: Karin Lindberg, „Ein Abenteuer in den Highlands“